Kritiken


Normalität ist eine Illusion

Nührig liest bei Gillmeister


Peine (wu). Penny Lane ist eine Straße in Liverpool. Die Beatles machten sie in ihrem gleichnamigen Lied unsterblich. Der Gymnasiallehrer und Autor Klaus Nührig war neun Jahre alt, als die Single im Februar 1967 veröffentlicht wurde. Jetzt hat Nührig sein zweites Buch geschrieben. Einen Krimi. Titel: Penny Lane. Krimifreunde, Lehrerkollegen und viele seiner Schüler kamen zur Lesung in die Buchhandlung Gillmeister.
Kommissar Heinrich Berner wird angeschossen. Vor zehn Jahren wurde genau nach dem gleichen Muster schon ein Attentat auf ihn verübt. Berners Kollegin Anne Wegner will den Fall klären und blickt dabei in ein weit in die Vergangenheit reichendes Netz von Intrigen, Hass, seelischen Wunden, Schuld und Sühne, von unüberwundenen Demütigungen und dem Wunsch nach Rache, Vergeltung und Genugtuung. Der Krimi bietet den Hintergrund für die psychischen Motivationen und Handlungszwänge der Protagonisten. Nührig zeigt die oft kleinmütigen und fast immer niederen Triebe und Beweggründe von Menschen, einander und am Ende sich selbst zu Grunde zu richten. Der Mensch sieht nur ein Bruchteil der Realität und diese nur verfälscht durch eigene Eitelkeiten und Unsicherheiten. In ständig wechselnden Perspektiven und Darstellungsformen gelingt es dem Autor die Begrenztheit des Ichs, die andauernden Missverständnisse und die daraus folgenden Konflikte und Katastrophen geradezu suggestiv abzubilden. Tom, der Attentäter, erkennt nach und nach, dass er von seiner Freundin nur für die Tat benutzt worden ist. Die Freundin instrumentalisiert ihre eigene Tochter, der verletzte Berner ist zerfressen von Rachegelüsten für erfahrene Demütigungen und auch die ermittelnde Kommissarin ist gezwungen sich ihrer eigenen Vergangenheit zu stellen.
Ein großartiger, vielschichtiger, verschlungener Roman auf der Höhe postmodernen Erzählens. Langer Applaus und viele Fragen, wie man so etwas denn hinkriegt.

Björn Wulfes, Peiner Allgemeine Zeitung, 2.Mai 2009